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Seite 10 LANDKREIS VULKANEIFEL Neues Nachweisgesetz belastet Unternehmen Interview mit Dr. Jens Steudter, Rechtsanwalt und zugleich Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwälte Lauer-Nack & Kollegen, Daun Zum 01.08.2022 ist das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen“ in Kraft getreten und macht das in der Praxis bislang wenig beachtete Nachweisgesetz ab sofort zum Pflichtprogramm für Arbeitgeber. Arbeitsverträge müssen zum Teil recht umfassend angepasst und erweitert werden. Neu ist auch, dass eine Verletzung der Vorgaben des Nachweisgesetzes ab sofort eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt. Dr. Jens Steudter, Rechtsanwalt und zugleich Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwälte Lauer-Nack & Kollegen, Daun hat gemeinsam mit der WFG Vulkaneifel am 13.09.2022 ein Online-Seminar für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Landkreis Vulkaneifel angeboten. Im Nachgang stand er WFG-Geschäftsführerin Judith Klassmann-Laux Rede und Antwort zum neuen Nachweisgesetz: Herr Dr. Steudter, schon bisher regelte das Nachweisgesetz, dass der Arbeitgeber einige Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen hatte und dem Arbeitnehmer aushändigen musste. Dafür galt bislang eine Monatsfrist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Wieso ist dann die Neuregelung für Arbeitgeber so interessant? Das ist zunächst richtig, auch die bisherige Version des Nachweisgesetzes verlangte gewisse Inhalte vom Arbeitsvertrag. Dennoch hatte das Nachweisgesetz in der bis zum 31. Juli gültigen Fassung in der Praxis kaum Bedeutung, da etwaige Verstöße in aller Regel folgenlos blieben. Dies wird künftig vermutlich anders sein, denn bei Verstößen droht jetzt ein Bußgeld von bis zu 2.000,00 €. Außerdem sind die Anforderungen jetzt deutlich detaillierter, der Arbeitgeber muss also eine Vielzahl weiterer Bedingungen nachweisen, zudem gibt es einige Anforderungen, die meiner Erfahrung nach kein Arbeitgeber in den bisherigen Arbeitsverträgen beachtet hat. Was meinen Sie damit? Hier genügt ein Blick in das Gesetz. So beinhaltet § 2 Abs. 1 des Nachweisgesetzes in seiner aktuellen Version 15 Ziffern, die eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen auflisten, die jetzt dem Arbeitnehmer nachzuweisen sind. Dabei fällt insbesondere Ziffer 14 auf, die es in dieser Formso vorher nicht gegeben hat. Danach muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage“ mitteilen. Schon heute wird die Frage nach dem „bei der Kündigung einzuhaltenden Verfahren“ von den Juristen diskutiert. Stellen Sie sich als Arbeitgeber nur einmal vor, Sie beschäftigen einen schwerbehinderten Menschen oder einen „Elternzeitler“ und wollen das Arbeitsverhältnis kündigen. Müssen Sie dann neben dem Kündigungsschutzprozess bereits im Arbeitsvertrag beispielsweise die notwendige Beteiligung des Integrationsamtes bei der Kündigung Schwerbehinderter erläutern? Und wie weit geht diese Pflicht? Muss also dann der Arbeitgeber bei einer Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung dem Arbeitnehmer auch seine Rechtsbehelfe hiergegen erklären, also den Gang des Verfahrens einer etwaigen Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht? Das ist heute noch alles völlig offen. Die Arbeitsrechtler werden also im ersten Schritt kreativ Klauseln für den Arbeitsvertrag entwickeln, mit denen nur versucht werden kann, den Anforderungen des Nachweisgesetzes bestmöglich zu entsprechen. Ob dies gelingt, erfahren wir erst in der Zukunft, wenn sich auch die Arbeitsgerichte damit befasst haben. Für welche Arbeitsverträge gelten diese neuen Pflichten? Die neuen Pflichten gelten unmittelbar für alle Neueinstellungen seit dem 1. August diesen Jahres. Dabei sind die Fristen zwar gestaffelt, manche Angaben müssen aber bereits am Tag der Arbeitsaufnahme dem Arbeitnehmer bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund wird es sich sicherlich etablieren, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – so wie jetzt eigentlich meistens auch – bereits vor Arbeitsaufnahme den Arbeitsvertrag vorlegt und dieser Arbeitsvertrag vollumfänglich dem Nachweisgesetz genügt. Bei denjenigen Arbeitnehmern, die bereits vor dem Stichtag zur Belegschaft gehörten, muss der Arbeitgeber nur auf Aufforderung tätig werden. Dann sind aber die Fristen für die Mitteilung der verschiedenen Arbeitsbedingungen erneut gestaffelt, wobei die erste Frist nach 7 Tagen abläuft. Es ist daher sicherlich prozessökonomisch, binnen der 7 Tage für den Arbeitnehmer beispielsweise ein Datenblatt zu erstellen, welches bereits alle Angaben enthält, die das neue Nachweisgesetz fordert. Aufpassen muss der Arbeitgeber auch, Foto: Dr. Jens Steudter.

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